Islamische Revolution 1979 – “Es fühlte sich wie ein Albtraum an”

Am 1. Februar 1979 kehrt der schiitische Geistliche Ayatollah Ruhollah Musawi Chomeini aus dem Exil in den Iran zurück und errichtet zwei Monate später eine islamische Republik. Der Humanistische Pressedienst (hpd) sprach mit der Menschenrechtlerin und ZdE-Vorsitzenden Mina Ahadi über die Bedeutung dieses Tages.
Azadi-Turm in Teheran, Foto: Alena Vavrdova, unsplash.com

hpd: Heute jährt sich zum 40. Mal der Jahrestag der soge­nan­nten “islamis­chen Rev­o­lu­tion” im Iran. Wie haben Sie den Tag erlebt? 

Mina Aha­di: Mit dem 1. Feb­ru­ar 1979 hat eine neue Zeitrech­nung im Iran begonnen. Die Rück­kehr von Chome­i­ni und die damit ein­herge­hende Abset­zung der Schah-Regierung leit­ete eine islamistis­che Machtüber­nahme ein, deren Auswirkun­gen bis heute und weit über den Iran hin­aus von Bedeu­tung sind. 

Ich selb­st war an diesem Tag in der iranis­chen Stadt Tabris und habe die Ereignisse über BBC mitver­fol­gt. Niemals hätte ich damit gerech­net, dass es soweit kom­men würde. Als Oppo­si­tionelle gegen das Schah-Regime hat­te ich näm­lich die Hoff­nung, dass sich die demokratis­chen Kräfte im Iran durch­set­zen – eine Hoff­nung, die beson­ders unter jun­gen Men­schen in der dama­li­gen Zeit ver­bre­it­et war. Dass aus­gerech­net Chome­i­ni als Anführer ein­er neuen Bewe­gung auf der Welt­bühne auf­trat, war für mich unbe­grei­flich. Denn für mich war diese Per­son bis dahin lediglich eine Witz­fig­ur. 

Am näch­sten Tag fuhr ich zu mein­er Fam­i­lie nach Abhar und wir unter­hiel­ten uns über die Geschehnisse. Wir waren fas­sungs­los. Es fühlte sich wie ein Alb­traum an. 

Wie hat sich Ihr Leben danach verän­dert? 

Schon in Schah-Zeit­en ging ich auf die Straße, um für ein freies und selb­st­bes­timmtes Leben zu kämpfen. Nach­dem unsere Rev­o­lu­tion im Iran scheit­erte und Chome­i­ni den Gottesstaat aus­rief, organ­isierte ich mit anderen Men­schen weit­ere Protes­tak­tio­nen und Demon­stra­tio­nen. Auf­grund mein­er regime- und reli­gion­skri­tis­chen Aktiv­itäten durch­suchte die iranis­che Geheim­polizei meine Woh­nung, während ich auf der Arbeit war. Dabei wur­den mein dama­liger Mann sowie fünf Gäste festgenom­men und kurz darauf hin­gerichtet. Ich kon­nte entkom­men, wurde aber in Abwe­sen­heit zum Tode verurteilt und steck­brieflich gesucht. Daher lebte ich zunächst acht Monate mit­ten in Teheran im Unter­grund und flüchtete schließlich nach Iranisch-Kur­dis­tan. Nach zehn Jahren bewaffnetem Kampf in Kur­dis­tan flüchtete ich 1990 nach Wien und lebe nun seit mehreren Jahren in Köln. 

Rück­blick­end war das Jahr 1979 also nicht nur ein Schick­sal­s­jahr für die iranis­che Gesellschaft, son­dern hat auch mein Leben wie kein anderes durcheinan­der gewor­fen. Ich musste unter den faschis­tis­chen Mul­lahs viel erlei­den. Ich habe Men­schen ver­loren, die ich liebte – ein Trau­ma, das bis heute anhält.

Welche Bedeu­tung hat­te das Jahr 1979 für Frauen im Iran? 

Die Lebenssi­t­u­a­tion von Frauen hat sich kurz nach der islamistis­chen Machter­grei­fung drastisch ver­schlechtert. Ein Tag vor dem Welt­frauen­tag, am 7. März 1979, ord­nete Chome­i­ni den Kopf­tuchzwang an. In der Folge gab es zahlre­iche Über­griffe auf Frauen, die sich dem Befehl ver­weigerten. Die Islamis­ten betra­chteten Frauen näm­lich als Ware, über die Män­ner je nach Belieben ver­fü­gen dür­fen. Chome­i­nis Anhänger skandierten “Ja Rusari, ja tusari”, was so viel bedeutet wie “Entwed­er Kopf­tuch oder ein Schlag auf den Kopf”. Es war also schnell klar, dass wir es mit einem frauen­ver­ach­t­en­den Regime zu tun hat­ten, das unsere Rechte mit Füßen tritt. 

Daraufhin bildete sich eine Frauen­be­we­gung. Tausende gin­gen auf die Straße, um gegen den Kopf­tuchzwang zu demon­stri­eren. Sie woll­ten sich nicht ver­schleiern, son­dern ihr Leben ohne islamis­che Moralvorschriften fort­führen. Denn für sie war das Kopf­tuch nicht nur ein harm­los­es Stück Stoff oder nor­males Klei­dungsstück, son­dern ein poli­tis­ches Instru­ment, um die Reli­gion in das Pri­vatleben der Men­schen zu ver­ankern und Macht über sie auszuüben.

Das Mul­lah-Regime bege­ht auch heute noch Men­schen­rechtsver­let­zun­gen und ste­ht im Ver­dacht, Atten­tate gegen Oppo­si­tionelle im Aus­land durchge­führt und geplant zu haben. Wie sollte die deutsche Regierung damit umge­hen?

Tausende Men­schen wur­den hin­gerichtet, gefoltert oder gesteinigt. Seit vie­len Jahren kämpfe ich gegen diese sys­tem­a­tis­chen Men­schen­rechtsver­let­zun­gen des iranis­chen Regimes. Und ich ver­lange von der deutschen Regierung, dass sie deut­lich­er als zuvor die Stimme gegen diese Bar­barei erhebt.

Während viele Men­schen derzeit im Iran auf die Straße gehen, um gegen die bru­tale iranis­che Regierung zu demon­stri­eren, wird das Mul­lah-Regime von der deutschen Poli­tik als Sta­bil­itäts­fak­tor in der Region ange­se­hen – ein Regime wohlge­merkt, das weit­er­hin zur Ver­nich­tung Israels aufruft. Das muss ein Ende find­en. Die diplo­ma­tis­chen Beziehun­gen zum Iran soll­ten been­det wer­den. Denn die Men­schen­rechte ste­hen über poli­tis­chen und wirtschaftlichen Inter­essen.

Lassen Sie uns zum Schluss in die Zukun­ft blick­en: Was wür­den Sie tun, wenn es näch­stes Jahr zu ein­er demokratis­chen Rev­o­lu­tion im Iran käme, die die Mul­lahs ent­machtet? 

Ich würde sofort in den Iran fliegen! Nach Jahrzehn­ten der Tren­nung kön­nte ich endlich wieder meine Fam­i­lie besuchen und mir die Orte anschauen, in denen ich ein­mal gelebt habe. Und natür­lich würde ich mich auch weit­er poli­tisch engagieren. Ich würde mich für einen weltof­fe­nen, säku­laren und lebens­be­ja­hen­den Iran ein­set­zen – mit all meinen Kräften.


Zum Orig­i­nalar­tikel: https://hpd.de/artikel/islamische-revolution-1979-es-fuehlte-sich-albtraum-an-16457

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