“Die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Islam wurde den Rechten überlassen”

Zum gestrigen "Internationalen Tag gegen Rassismus" fand im Abgeordnetenhaus von Berlin eine Anhörung zum Thema "Rechtsextreme, rassistische und antisemitische Gewalttaten in Berlin im Jahr 2017" statt. Mina Ahadi, Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime, wurde für eine Stellungnahme eingeladen.

Meine sehr geehrten Damen und Her­ren, 

wir alle sind besorgt angesichts der anhal­tend hohen Zahlen von ras­sis­tisch und anti­semi­tisch motivierten Gewalt­tat­en. Denn sie bele­gen nicht nur die erschreck­ende Alltäglichkeit physis­ch­er und psy­chis­ch­er Angriffe. Sie zeigen auch, wie weit grup­pen­be­zo­gene Men­schen­feindlichkeit in der Bevölkerung ver­bre­it­et ist und wie sehr das gesellschaftliche Kli­ma vergiftet wurde. So müssen wir auch in Berlin beobacht­en, wie Recht­sex­trem­is­ten gegen Flüchtlinge und Aus­län­der het­zen und wie Islamis­ten beim al-Quds-Tag auf offen­er Straße zur Ver­nich­tung Israels aufrufen und juden­feindliche Parolen ver­bre­it­en. Trotz aller Bemühun­gen der let­zten Jahre für ein friedlich­es Zusam­men­leben ste­hen wir weit­er­hin vor diesen Prob­le­men und wir müssen uns ehrlich fra­gen, warum das so ist. 

Ein zen­traler Punkt bei der Beant­wor­tung dieser Frage ist meines Eracht­ens unser Umgang mit dem poli­tis­chen Islam. Diese Bewe­gung hat lei­der auch in Deutsch­land an Macht und Aufmerk­samkeit gewon­nen und wird zugle­ich von großen Teilen der Poli­tik ver­harm­lost oder sog­ar hofiert. Tragis­cher­weise waren es vor allem linke Parteien und Intellek­tuelle, die jede berechtigte Kri­tik am Islam als “islam­o­phob” oder sog­ar als “ras­sis­tisch” beze­ich­neten und Kri­tik­er und Betrof­fene wie mich in die rechte Ecke gestellt haben. Die öffentliche Auseinan­der­set­zung mit dem Islam wurde damit den Recht­en über­lassen, die von dieser Sit­u­a­tion sehr prof­i­tiert haben. Denn die ras­sis­tis­chen Kräfte kon­nten sich nur durch den Miss­brauch der vie­len unbeant­worteten Prob­leme als Sprachrohr der Unzufriede­nen verkaufen.

Dabei wird häu­fig überse­hen, dass Recht­spop­ulis­ten und ‑extrem­is­ten ähn­lich autoritäre, homo­phobe und sex­is­tis­che – kurz: men­schen­feindliche – Posi­tio­nen wie die Islamis­ten vertreten. Mit ihrem tra­di­tionell-patri­ar­chalen Fam­i­lien­bild, ihrer Aver­sion gegen eine fortschrit­tliche Sex­u­alerziehung und ihrer rück­ständi­gen Hal­tung zu Men­schen­recht­en und Wis­senschaft träu­men die Recht­en den gle­ichen fun­da­men­tal­is­tis­chen Traum wie die Islamis­ten. Sie bei­de reduzieren Men­schen auf Grup­peniden­titäten, statt einzelne Men­schen als Indi­viduen in ihrer Unter­schiedlichkeit ernst zu nehmen. Und bei­de lehnen die lib­erale Demokratie als Aus­druck soge­nan­nter “west­lich­er Dekadenz” ab. 

Um auf diese dop­pelte Bedro­hung durch Recht­sex­trem­is­ten und Islamis­ten zu reagieren, soll­ten wir deut­lich­er als zuvor für die Prinzip­i­en der offe­nen Gesellschaft ein­ste­hen – näm­lich Frei­heit, Gle­ich­heit, Indi­vid­u­al­ität, Ratio­nal­ität und Säku­lar­ität. Konkret bedeutet das, dass wir Men­schen­rechtsver­let­zun­gen und Het­ze unter keinen Umstän­den tolerieren soll­ten. Die Poli­tik sollte zudem ihre Beschwich­ti­gungs- und Appease­ment­poli­tik mit den islamis­chen Organ­i­sa­tio­nen und Ver­bän­den been­den und den Ein­fluss von religiösen Par­tiku­lar­in­ter­essen auf das Bil­dungssys­tem, das Gesund­heitswe­sen, die Medi­en und die wis­senschaftliche Forschung ver­hin­dern. 

Dadurch würde nicht nur die reak­tionäre islamis­che Bewe­gung, son­dern auch das frem­den­feindliche Lager in der Gesellschaft zurückge­drängt. Nur so wer­den unsere Kinder ohne Hass und Bru­tal­ität in ein­er men­schlicheren und friedlicheren Gesellschaft zusam­men aufwach­sen kön­nen. Nur so lassen sich Fanatismus und Radikalisierung ver­hin­dern.

Ich hoffe daher sehr, dass die deutsche Poli­tik endlich konkret Stel­lung gegen den poli­tis­chen Islam bezieht und sich sol­i­darisch mit all jenen zeigt, die sich aus den Ket­ten der religiösen Bevor­mundung befreien wollen. Vor allem Men­schen­recht­lerIn­nen und Fem­i­nistIn­nen soll­ten sehen, wie Frauen derzeit im Iran gegen das Mul­lah-Regime und gegen den Kopf­tuchzwang protestieren und damit große Gefahren in Kauf nehmen. Denn das Kopf­tuch ist nicht nur ein harm­los­es Stück Stoff oder nor­males Klei­dungsstück, son­dern ein Sym­bol für eine patri­ar­chale Kul­tur, in der Frauen nicht als gle­ich­w­er­tig ange­se­hen wer­den. Es ist ein poli­tis­ches Instru­ment, um die Reli­gion in das Pri­vatleben der Men­schen zu ver­ankern und Macht über sie auszuüben.

Den aufrecht­en Gang und den Mut der iranis­chen Frauen wün­sche ich mir auch in Deutsch­land. Denn statt für falsch ver­standene Tol­er­anz soll­ten wir endlich für human­is­tis­che Werte und für die Aufk­lärung ein­ste­hen. Die Feinde der offe­nen Gesellschaft – die Ras­sis­ten, Islamis­ten und Anti­semiten – hät­ten dann ein gewaltiges Prob­lem.

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