16. September 2025

Debatte um Kinderkopftuch in Österreich: Mehr Säkularismus wagen!

Mina Ahadi, Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime, begrüßt das geplante Kopftuchverbot in Österreich und fordert eine konsequente Säkularisierung des Bildungswesens in Europa.

Die öster­re­ichis­che Regierung hat angekündigt, das Tra­gen des Kopf­tuchs für Mäd­chen in staatlichen und pri­vat­en Schulen bis zum 14. Leben­s­jahr zu ver­bi­eten. Diese Entschei­dung, vorgestellt von der Min­is­terin für Europa, Inte­gra­tion und Fam­i­lie Clau­dia Plakolm, sieht bei Zuwider­hand­lung Geld­strafen bis zu 1000 Euro oder sog­ar Haft­strafen für Eltern vor.

Als Frau, die die Auswirkun­gen des Kopf­tuchzwangs im Iran und anderen islamisch geprägten Län­dern erlebt hat, und als Vor­sitzende des Zen­tral­rats der Ex-Mus­lime, die tagtäglich mit betrof­fe­nen Mäd­chen kon­fron­tiert ist, begrüße ich diesen Schritt aus­drück­lich. Er stellt eine wichtige Maß­nahme zum Schutz von Kindern dar, die viel zu oft gegen ihren Willen zur Ver­schleierung gezwun­gen wer­den.

Doch der Kern des The­mas reicht weit über das Kopf­tuch hin­aus. Schulen sind Orte der Erken­nt­nis, nicht der Beken­nt­nisse. Sie müssen weltan­schaulich neu­trale Räume sein, in denen Kinder frei von religiösen oder ide­ol­o­gis­chen Sym­bol­en aufwach­sen kön­nen. Ein kon­se­quent säku­lares Gesetz darf daher nicht ein­seit­ig auf ein spez­i­fis­ches Sym­bol abzie­len, son­dern muss alle offen­siv religiösen oder weltan­schaulichen Bekun­dun­gen gle­icher­maßen unter­sagen – egal ob es sich um ein Kopf­tuch, ein Kreuz oder andere For­men demon­stra­tiv­er Zuge­hörigkeit han­delt. Nur so kön­nen Schulen Orte der Frei­heit, Offen­heit und gle­ichen Chan­cen bleiben.

Gle­ichzeit­ig darf dieses The­ma nicht recht­spop­ulis­tis­chen Kräften über­lassen wer­den, die religiöse Sym­bole oft instru­men­tal­isieren, um Stim­mung gegen Min­der­heit­en zu machen und ihre eigene Agen­da zu bedi­enen. Umso wichtiger ist es, dass demokratis­che Parteien klar und unmissver­ständlich für Human­is­mus, Säku­lar­is­mus und die Rechte der Kinder ein­treten – und damit zeigen, dass es hier nicht um Aus­gren­zung, son­dern um Emanzi­pa­tion geht.

Das jahrzehn­te­lange Hin­nehmen des Kinderkopf­tuchs in Europa war ein poli­tis­ches Ver­sagen. Statt Kinder zu schützen, wurde ihnen ein frauen­feindlich­es Rol­len­bild aufgezwun­gen. Wer genau hin­sieht, erken­nt, dass hin­ter dieser Prax­is nicht nur famil­iär­er Druck, son­dern auch die ide­ol­o­gis­che Ein­flussnahme islamistis­ch­er Strö­mungen und Regierun­gen ste­ht. Das Kopf­tuch wurde seit der Machter­grei­fung Khome­i­nis im Iran zum Sym­bol der Unter­drück­ung und des Angriffs auf die Frei­heit der Frau.

Ger­ade deshalb ist es bemerkenswert, dass diese Debat­te am drit­ten Jahrestag der Frauen‑, Leben‑, Frei­heit-Bewe­gung und am Todestag von Mah­sa Jina Ami­ni geführt wird. Die Frauen­rev­o­lu­tion im Iran, die mit dem Ver­bren­nen des Kopf­tuchs begann, war eine unmissver­ständliche Antwort auf alle Vertei­di­ger religiös begrün­de­ter Unter­drück­ung – und sie hat auch in Europa das Tabu gebrochen, islamistis­che Struk­turen kri­tik­los zu tolerieren.

Wir fordern daher nicht nur in Öster­re­ich, son­dern auch in Deutsch­land und allen anderen Län­dern Europas ein klares Beken­nt­nis zu einem säku­laren Bil­dungswe­sen. Frankre­ich ist hier bere­its vor­ange­gan­gen und hat gute Erfahrun­gen gemacht. Ein Verzicht auf religiöse Bekun­dun­gen in öffentlichen wie pri­vat­en Schulen wäre ein entschei­den­der Schritt zur Vertei­di­gung der Rechte von Mäd­chen und zur Stärkung ein­er offe­nen Gesellschaft.

Unsere Auf­gabe ist es, den säku­laren Rechtsstaat entschlossen zu vertei­di­gen – gegen religiösen Fun­da­men­tal­is­mus eben­so wie gegen poli­tis­che Kräfte, die sie für ihre eige­nen Zwecke miss­brauchen wollen. Nur wenn wir klar für Säku­lar­is­mus und Human­is­mus ein­treten, kön­nen wir Kinder vor Bevor­mundung schützen und ihre Frei­heit sich­ern.

Weitere Beiträge