21. Dezember 2024

»Der Attentäter von Magdeburg hasst nicht nur Muslime, sondern alle, die seinen Hass nicht teilen!»

Der aus Saudi-Arabien stammende Arzt und Psychiater Taleb A., der am Freitagabend einen Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt verübte, hat den Zentralrat der Ex-Muslime und die Säkulare Flüchtlingshilfe über mehrere Jahre hinweg terrorisiert. Allem Anschein nach teilte er Überzeugungen aus dem ultrarechten Spektrum der AfD und glaubte an eine großangelegte Verschwörung, die darauf abzielt, Deutschland zu islamisieren. Seine wahnhaften Vorstellungen gingen so weit, dass er annahm, selbst islamismuskritische Organisationen seien Teil der islamistischen Verschwörung.
Foto: Der Attentäter von Magdeburg im Vorfeld der Verleumdungsprozesses im Oktober 2024

»Die Nach­richt vom Anschlag auf den Mag­de­bur­ger Weih­nachts­markt hat uns sehr bestürzt!», erklär­te Mina Aha­di, die Vor­sit­zen­de des Zen­tral­rats der Ex-Mus­li­me, am Sams­tag­mor­gen. »Der Atten­tä­ter Taleb A. ist für uns ja kein Unbe­kann­ter, denn er hat uns seit Jah­ren ter­ro­ri­siert. Anfangs ver­mu­te­ten wir, er könn­te ein Maul­wurf der isla­mis­ti­schen Bewe­gung sein. Inzwi­schen den­ke ich jedoch, dass er ein Psy­cho­path ist, der ultra­rech­ten Ver­schwö­rungs­ideo­lo­gien anhängt. Nach lang­jäh­ri­ger Erfah­rung kann ich sagen: Der Atten­tä­ter von Mag­de­burg hasst nicht nur Mus­li­me, son­dern alle, die sei­nen Hass nicht tei­len!»

Taleb A. kri­ti­sier­te die »lin­ke« huma­nis­ti­sche Aus­rich­tung des Zen­tral­rats der Ex-Mus­li­me und der eng befreun­de­ten Säku­la­ren Flücht­lings­hil­fe, die sich gezielt für reli­gi­ons­freie Migrant*innen aus isla­misch gepräg­ten Län­dern ein­setzt. »Längst nicht alle Men­schen, die aus isla­mi­schen Län­dern flie­hen, sind Mus­li­me. Wir sind als Orga­ni­sa­ti­on zwar expli­zit reli­gi­ons­kri­tisch, aber wir kämp­fen nicht gegen libe­ra­le Mus­li­me, son­dern für sie, da sie beson­ders oft zu Opfern des Isla­mis­mus wer­den. Dies hat Taleb A. sehr auf­ge­regt!«, sagt Mina Aha­di. »Als er merk­te, dass er mit sei­nem Hass auf alles Mus­li­mi­sche bei uns nicht ankam, ist er dazu über­ge­gan­gen, ein­zel­ne Akti­ve der Säku­la­ren Flücht­lings­hil­fe öffent­lich zu dif­fa­mie­ren.«

 
Mut­maß­li­ches Tat-Motiv: Hass nicht nur auf Mus­li­me, son­dern auch auf deut­sche Behör­den

Gegen die Ver­leum­dun­gen durch Taleb A. waren Akti­ve der Säku­la­ren Flücht­lings­hil­fe vor­ge­gan­gen. Im August 2023 wur­de vor Gericht erstrit­ten, dass Taleb A. die Ver­leum­dun­gen unter­las­sen muss, woge­gen der sau­di­sche Arzt Beru­fung ein­leg­te. In der Beru­fungs­ver­hand­lung Ende Okto­ber 2024 zeich­ne­te sich ab, dass Taleb A. das Ver­fah­ren nicht gewin­nen kann, was ihn zu einer Wut­re­de vor Gericht ani­mier­te. Dabei führ­te er aus, dass er Euro­pa vor der Isla­mi­sie­rung ret­ten wer­de, wozu die deut­schen Gerich­te nicht in der Lage sei­en.

Taleb A. hat­te bereits mehr­fach zuvor ange­deu­tet, dass er die Deut­schen dafür zah­len las­sen wol­le, dass sie die Gefahr des Isla­mis­mus igno­rier­ten. Mit­te 2024 hat­te sich sein rech­ter Ver­schwö­rungs­glau­be bereits so stark ver­fes­tigt, dass sich sein Hass nicht mehr nur gegen »die Lin­ken« rich­te­te, son­dern auch gegen deut­sche Behör­den. So schrieb er im Juni auf der Platt­form X, dass sei­ner Erfah­rung nach, »die deut­sche Poli­zei der ech­te Trei­ber des Isla­mis­mus in Deutsch­land« sei: »Wir brau­chen die AfD, um die Poli­zei vor sich zu schüt­zen!« Nach sei­nen Posts auf Social Media reich­te eine Akti­vis­tin der Säku­la­ren Flücht­lings­hil­fe bereits im ver­gan­ge­nen Jahr Straf­an­zei­ge gegen Taleb A. ein und warn­te die Poli­zei vor einem Anschlag, den die­ser vor­be­rei­ten wür­de. Das LKA Sach­sen-Anhalt kam in sei­ner Bewer­tung jedoch zu dem Schluss, dass von Taleb A. kei­ne kon­kre­te Bedro­hung aus­ge­he – zu Unrecht, wie der ver­häng­nis­vol­le Anschlag in Mag­de­burg gezeigt hat.

»Der Ter­ror­akt von Taleb A. führt uns vor Augen, dass nicht nur Isla­mis­ten Weih­nachts­märk­te mit Fahr­zeu­gen angrei­fen, son­dern auch rech­te Ver­schwö­rungs­fa­na­ti­ker«, erklär­te Micha­el Schmidt-Salo­mon, der als Vor­stands­spre­cher der Giord­a­no-Bru­no-Stif­tung die Grün­dung des Zen­tral­rats der Ex-Mus­li­me und der Säku­la­ren Flücht­lings­hil­fe beglei­tet hat. »Seit vie­len Jah­ren wei­sen wir schon dar­auf hin, wie sehr sich isla­mi­scher Fun­da­men­ta­lis­mus und rech­te Mus­lim­feind­lich­keit gegen­sei­tig auf­schau­keln. Dies hat ein Kli­ma des Has­ses geschaf­fen, unter dem vor allem säku­la­re und libe­ra­le Mus­li­me zu lei­den haben, da sie nicht nur von Isla­mis­ten, son­dern auch von rech­ten ›Islam­kri­ti­kern‹ bedroht wer­den. Ich den­ke, es ist höchs­te Zeit, die fal­schen iden­ti­tä­ren Wahr­neh­mungs­mus­ter zu über­win­den, die die­sem Hass zugrun­de lie­gen: Es gibt eben nicht ›die Mus­li­me‹, ›die Flücht­lin­ge‹ oder ›die Islam­kri­ti­ker‹! Zumin­dest dies soll­ten wir aus dem Mag­de­bur­ger Anschlag ler­nen: Wer hät­te im poli­ti­schen Ber­lin damit gerech­net, dass ein aus Sau­di-Ara­bi­en stam­men­der Arzt und AfD-Sym­pa­thi­sant einen Anschlag auf einen deut­schen Weih­nachts­markt ver­üben könn­te, um dem Isla­mis­mus ent­ge­gen­zu­wir­ken? Die Welt ist deut­lich kom­ple­xer und ver­rück­ter, als dies gemein­hin wahr­ge­nom­men wird.«

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