16. Januar 2025

Islamkritikerin rechnet mit AfD ab

In einem offenen Brief wendet sich die Islamkritikerin Mina Ahadi an Alice Weidel. Darin erhebt sie schwere Vorwürfe: Die AfD habe die Öffentlichkeit getäuscht, um das Attentat von Magdeburg für eigene politische Zwecke zu instrumentalisieren. Echte Antworten auf das Problem des Islamismus seien von ihr nicht zu erwarten.

Sehr geehr­te Frau Wei­del,

ich schrei­be Ihnen in mei­ner Funk­ti­on als Vor­sit­zen­de des Zen­tral­rats der Ex-Mus­li­me – ein Zusam­men­schluss von Men­schen, die dem Islam abge­schwo­ren haben. Seit 2007 klä­ren wir über die Gefah­ren des Isla­mis­mus auf und set­zen uns für eine säku­la­re Gesell­schaft ein, in der Reli­gi­on und Staat kon­se­quent getrennt sind.    

Mit Erschüt­te­rung habe ich Ihre Rede auf der Gedenk­ver­an­stal­tung nach dem Anschlag in Mag­de­burg ver­folgt. Sie spra­chen dort von einer „Tat von einem Isla­mis­ten vol­ler Hass auf das, was den mensch­li­chen Zusam­men­halt aus­macht, auf uns Men­schen, auf uns Deut­sche, auf uns Chris­ten“. Mit die­sem Brief möch­te ich erklä­ren, war­um das nicht nur fak­tisch falsch, son­dern auch zutiefst unan­stän­dig ist. Denn die Opfer von Mag­de­burg haben Bes­se­res ver­dient als Ihre pro­pa­gan­dis­ti­sche Ver­ein­nah­mung. Sie haben Anspruch auf ein wür­di­ges Geden­ken, das nicht von Des­in­for­ma­ti­on und poli­ti­scher Instru­men­ta­li­sie­rung über­schat­tet wird.

Die AfD verbreitet Lügen über das Attentat in Magdeburg

Der Atten­tä­ter Taleb A. ist uns schon lan­ge bekannt. Er hat den Zen­tral­rat der Ex-Mus­li­me und die mit ihm ver­bun­de­ne Säku­la­re Flücht­lings­hil­fe seit Jah­ren schi­ka­niert – nicht etwa als Isla­mist, son­dern als Anhän­ger ultra­rech­ter Ver­schwö­rungs­ideo­lo­gien. Als er merk­te, dass er mit sei­nem Hass auf Mus­li­me bei uns nicht ankam, ist er dazu über­ge­gan­gen, ein­zel­ne Akti­ve der Säku­la­ren Flücht­lings­hil­fe öffent­lich zu dif­fa­mie­ren. Im August 2023 wur­de vor Gericht erstrit­ten, dass Taleb A. sei­ne Ver­leum­dun­gen unter­las­sen muss, woge­gen er Beru­fung ein­leg­te. In der Beru­fungs­ver­hand­lung Ende Okto­ber 2024 zeich­ne­te sich schließ­lich ab, dass Taleb A. das Ver­fah­ren nicht gewin­nen kann, was ihn zu einer Wut­re­de vor Gericht ani­mier­te. Dabei führ­te er aus, dass er Euro­pa vor der Isla­mi­sie­rung ret­ten wer­de, wozu die deut­schen Gerich­te nicht in der Lage sei­en. Sei­ne wahn­haf­ten Vor­stel­lun­gen gin­gen so weit, dass er aus­ge­rech­net unse­re islam­kri­ti­sche Orga­ni­sa­ti­on als Teil einer „lin­ken Agen­da“ bezeich­ne­te, die den „anti-isla­mi­schen Akti­vis­mus ver­gif­tet“. Auch sei­ne Sym­pa­thie für die AfD hat er deut­lich zum Aus­druck gebracht. So schrieb er in einem Bei­trag auf X: „Die Lin­ken sind ver­rückt. Wir brau­chen die AfD, um die Poli­zei vor sich zu schüt­zen.“ Bereits 2016 ver­kün­de­te er: „Ich und AfD bekämp­fen den glei­chen Feind, um Deutsch­land zu schüt­zen.“ Wie kön­nen Sie ange­sichts die­ser Äuße­run­gen von einem isla­mis­ti­schen Atten­tä­ter reden, Frau Wei­del? Haben Sie jeden Bezug zur Rea­li­tät ver­lo­ren oder wol­len Sie die Öffent­lich­keit bewusst in die Irre füh­ren, um die AfD-Nähe des Atten­tä­ters zu ver­schlei­ern?

Neh­men wir für einen Moment an, Taleb A. wäre tat­säch­lich ein Isla­mist: Wenn wir Sie beim Wort neh­men, müss­ten wir von der AfD als einer Par­tei spre­chen, in der sogar isla­mis­ti­sche Fana­ti­ker eine poli­ti­sche Hei­mat fin­den. Wür­den wir Ihre Rhe­to­rik auf Sie selbst anwen­den, könn­te man sagen: Ein Kreuz für die AfD ist ein Kreuz für Ter­ror und Unsi­cher­heit in Deutsch­land. Wie sonst wäre es zu erklä­ren, dass sich ein Isla­mist vol­ler Hass auf Deut­sche für Ihre Par­tei aus­spricht? Aber genau die­se Art der Pole­mik ist es, die uns als Gesell­schaft nicht wei­ter­bringt. Wir brau­chen eine sach­li­che Aus­ein­an­der­set­zung, die nicht auf Empö­rung, son­dern auf Fak­ten beruht. Von die­sem Anspruch schei­nen Sie jedoch längst abge­rückt zu sein. Nicht „Mut zur Wahr­heit“, son­dern „Wut statt Wahr­heit“ lau­tet das Cre­do der AfD.

Rechtsextremisten und Islamisten sind Brüder und Schwestern im Geiste

Tat­sa­che ist: Der Täter von Mag­de­burg war getrie­ben von Hass, den auch Sie seit Jah­ren befeu­ern. Sei­ne Aggres­si­on gegen die huma­nis­ti­sche Aus­rich­tung unse­rer Orga­ni­sa­tio­nen ent­springt einer Geis­tes­hal­tung, die auch in Ihren Reden durch­scheint. Dabei wird oft über­se­hen, dass die Ideo­lo­gie der AfD und die der Isla­mis­ten zwei Sei­ten der­sel­ben Medail­le sind: Sie bei­de ver­ach­ten die offe­ne Gesell­schaft. Sie bei­de leh­nen wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis­se ab, wenn sie nicht in Ihr Welt­bild pas­sen. Sie bei­de kämp­fen gegen die Errun­gen­schaf­ten der Auf­klä­rung und gegen die uni­ver­sel­le Gel­tung der Men­schen­rech­te. Sie bei­de seh­nen sich eine homo­ge­ne Gesell­schaft her­bei, die es nie gab und nie geben wird. Sie bei­de träu­men von der gro­ßen Rein­heit, sei es der „Nati­on“ oder der „Umma“. Sie bei­de pro­pa­gie­ren ein auto­ri­tä­res Gesell­schafts­mo­dell, in dem das Indi­vi­du­um dem Kol­lek­tiv unter­ge­ord­net wer­den soll.

Aus eige­ner Erfah­rung weiß ich nur all­zu gut, was es bedeu­tet, wenn radi­ka­le Ideo­lo­gen das Sagen haben: Als Isla­mis­ten 1979 im Iran die Macht ergrif­fen, orga­ni­sier­te ich Pro­test­ak­tio­nen und Demons­tra­tio­nen. Auf­grund mei­ner regime­kri­ti­schen Akti­vi­tä­ten durch­such­te die ira­ni­sche Geheim­po­li­zei mei­ne Woh­nung, wäh­rend ich auf der Arbeit war. Dabei wur­den mein dama­li­ger Mann sowie fünf Gäs­te fest­ge­nom­men und kurz dar­auf hin­ge­rich­tet. Auch ich wur­de zum Tode ver­ur­teilt und muss­te des­halb meh­re­re Mona­te unter­tau­chen. Obwohl steck­brief­lich gesucht, gelang es mir, aus dem Iran zu flie­hen. Nach zehn Jah­ren in Kur­di­stan flüch­te­te ich 1990 nach Wien und lebe nun seit vie­len Jah­ren in Köln. Seit­dem ich den Zen­tral­rat der Ex-Mus­li­me gegrün­det habe, wer­de ich auch in Deutsch­land von Isla­mis­ten bedroht und ste­he immer wie­der unter Per­so­nen­schutz.

Tra­gi­scher­wei­se waren es vor allem lin­ke Poli­ti­ker und Intel­lek­tu­el­le, die uns damals beim Wider­stand gegen den Poli­ti­schen Islam im Stich gelas­sen haben. Auch heu­te sind es vor allem Stim­men aus dem lin­ken Spek­trum, die berech­tig­te Kri­tik am Islam als „isla­mo­phob“ oder sogar als „ras­sis­tisch“ bezeich­nen. Statt eine säku­la­re und huma­nis­ti­sche Poli­tik zu stär­ken, pflegt man wei­ter­hin den Dia­log mit reak­tio­nä­ren Islam­ver­bän­den.

Doch die AfD ist kei­ne Alter­na­ti­ve, son­dern Teil des Pro­blems. Denn ech­te Islam­kri­tik bedeu­tet, die Wür­de jedes Ein­zel­nen zu ach­ten – nicht, Men­schen zu dämo­ni­sie­ren. Sie bedeu­tet, für Auf­klä­rung zu strei­ten – nicht, Tat­sa­chen zu ver­dre­hen. Was die AfD hin­ge­gen betreibt, ist der durch­sich­ti­ge Ver­such, gesell­schaft­li­che Spal­tung für poli­ti­schen Pro­fit zu nut­zen. Dabei schreckt sie auch nicht vor Ras­sis­mus und Mus­lim­feind­lich­keit zurück. Am Ende wird die­se Poli­tik uns allen scha­den. In die­sem Sin­ne wün­sche ich mir, dass die AfD dort­hin zurück­kehrt, wo sie hin­ge­hört: in die poli­ti­sche Bedeu­tungs­lo­sig­keit.

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