Sehr geehrte Frau Weidel,
ich schreibe Ihnen in meiner Funktion als Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime – ein Zusammenschluss von Menschen, die dem Islam abgeschworen haben. Seit 2007 klären wir über die Gefahren des Islamismus auf und setzen uns für eine säkulare Gesellschaft ein, in der Religion und Staat konsequent getrennt sind.
Mit Erschütterung habe ich Ihre Rede auf der Gedenkveranstaltung nach dem Anschlag in Magdeburg verfolgt. Sie sprachen dort von einer „Tat von einem Islamisten voller Hass auf das, was den menschlichen Zusammenhalt ausmacht, auf uns Menschen, auf uns Deutsche, auf uns Christen“. Mit diesem Brief möchte ich erklären, warum das nicht nur faktisch falsch, sondern auch zutiefst unanständig ist. Denn die Opfer von Magdeburg haben Besseres verdient als Ihre propagandistische Vereinnahmung. Sie haben Anspruch auf ein würdiges Gedenken, das nicht von Desinformation und politischer Instrumentalisierung überschattet wird.
Die AfD verbreitet Lügen über das Attentat in Magdeburg
Der Attentäter Taleb A. ist uns schon lange bekannt. Er hat den Zentralrat der Ex-Muslime und die mit ihm verbundene Säkulare Flüchtlingshilfe seit Jahren schikaniert – nicht etwa als Islamist, sondern als Anhänger ultrarechter Verschwörungsideologien. Als er merkte, dass er mit seinem Hass auf Muslime bei uns nicht ankam, ist er dazu übergegangen, einzelne Aktive der Säkularen Flüchtlingshilfe öffentlich zu diffamieren. Im August 2023 wurde vor Gericht erstritten, dass Taleb A. seine Verleumdungen unterlassen muss, wogegen er Berufung einlegte. In der Berufungsverhandlung Ende Oktober 2024 zeichnete sich schließlich ab, dass Taleb A. das Verfahren nicht gewinnen kann, was ihn zu einer Wutrede vor Gericht animierte. Dabei führte er aus, dass er Europa vor der Islamisierung retten werde, wozu die deutschen Gerichte nicht in der Lage seien. Seine wahnhaften Vorstellungen gingen so weit, dass er ausgerechnet unsere islamkritische Organisation als Teil einer „linken Agenda“ bezeichnete, die den „anti-islamischen Aktivismus vergiftet“. Auch seine Sympathie für die AfD hat er deutlich zum Ausdruck gebracht. So schrieb er in einem Beitrag auf X: „Die Linken sind verrückt. Wir brauchen die AfD, um die Polizei vor sich zu schützen.“ Bereits 2016 verkündete er: „Ich und AfD bekämpfen den gleichen Feind, um Deutschland zu schützen.“ Wie können Sie angesichts dieser Äußerungen von einem islamistischen Attentäter reden, Frau Weidel? Haben Sie jeden Bezug zur Realität verloren oder wollen Sie die Öffentlichkeit bewusst in die Irre führen, um die AfD-Nähe des Attentäters zu verschleiern?
Nehmen wir für einen Moment an, Taleb A. wäre tatsächlich ein Islamist: Wenn wir Sie beim Wort nehmen, müssten wir von der AfD als einer Partei sprechen, in der sogar islamistische Fanatiker eine politische Heimat finden. Würden wir Ihre Rhetorik auf Sie selbst anwenden, könnte man sagen: Ein Kreuz für die AfD ist ein Kreuz für Terror und Unsicherheit in Deutschland. Wie sonst wäre es zu erklären, dass sich ein Islamist voller Hass auf Deutsche für Ihre Partei ausspricht? Aber genau diese Art der Polemik ist es, die uns als Gesellschaft nicht weiterbringt. Wir brauchen eine sachliche Auseinandersetzung, die nicht auf Empörung, sondern auf Fakten beruht. Von diesem Anspruch scheinen Sie jedoch längst abgerückt zu sein. Nicht „Mut zur Wahrheit“, sondern „Wut statt Wahrheit“ lautet das Credo der AfD.
Rechtsextremisten und Islamisten sind Brüder und Schwestern im Geiste
Tatsache ist: Der Täter von Magdeburg war getrieben von Hass, den auch Sie seit Jahren befeuern. Seine Aggression gegen die humanistische Ausrichtung unserer Organisationen entspringt einer Geisteshaltung, die auch in Ihren Reden durchscheint. Dabei wird oft übersehen, dass die Ideologie der AfD und die der Islamisten zwei Seiten derselben Medaille sind: Sie beide verachten die offene Gesellschaft. Sie beide lehnen wissenschaftliche Erkenntnisse ab, wenn sie nicht in Ihr Weltbild passen. Sie beide kämpfen gegen die Errungenschaften der Aufklärung und gegen die universelle Geltung der Menschenrechte. Sie beide sehnen sich eine homogene Gesellschaft herbei, die es nie gab und nie geben wird. Sie beide träumen von der großen Reinheit, sei es der „Nation“ oder der „Umma“. Sie beide propagieren ein autoritäres Gesellschaftsmodell, in dem das Individuum dem Kollektiv untergeordnet werden soll.
Aus eigener Erfahrung weiß ich nur allzu gut, was es bedeutet, wenn radikale Ideologen das Sagen haben: Als Islamisten 1979 im Iran die Macht ergriffen, organisierte ich Protestaktionen und Demonstrationen. Aufgrund meiner regimekritischen Aktivitäten durchsuchte die iranische Geheimpolizei meine Wohnung, während ich auf der Arbeit war. Dabei wurden mein damaliger Mann sowie fünf Gäste festgenommen und kurz darauf hingerichtet. Auch ich wurde zum Tode verurteilt und musste deshalb mehrere Monate untertauchen. Obwohl steckbrieflich gesucht, gelang es mir, aus dem Iran zu fliehen. Nach zehn Jahren in Kurdistan flüchtete ich 1990 nach Wien und lebe nun seit vielen Jahren in Köln. Seitdem ich den Zentralrat der Ex-Muslime gegründet habe, werde ich auch in Deutschland von Islamisten bedroht und stehe immer wieder unter Personenschutz.
Tragischerweise waren es vor allem linke Politiker und Intellektuelle, die uns damals beim Widerstand gegen den Politischen Islam im Stich gelassen haben. Auch heute sind es vor allem Stimmen aus dem linken Spektrum, die berechtigte Kritik am Islam als „islamophob“ oder sogar als „rassistisch“ bezeichnen. Statt eine säkulare und humanistische Politik zu stärken, pflegt man weiterhin den Dialog mit reaktionären Islamverbänden.
Doch die AfD ist keine Alternative, sondern Teil des Problems. Denn echte Islamkritik bedeutet, die Würde jedes Einzelnen zu achten – nicht, Menschen zu dämonisieren. Sie bedeutet, für Aufklärung zu streiten – nicht, Tatsachen zu verdrehen. Was die AfD hingegen betreibt, ist der durchsichtige Versuch, gesellschaftliche Spaltung für politischen Profit zu nutzen. Dabei schreckt sie auch nicht vor Rassismus und Muslimfeindlichkeit zurück. Am Ende wird diese Politik uns allen schaden. In diesem Sinne wünsche ich mir, dass die AfD dorthin zurückkehrt, wo sie hingehört: in die politische Bedeutungslosigkeit.